Histamin: natürliche Reizstoffe in Nahrungsmitteln

Empfehlungen für Patienten mit Unverträglichkeitsreaktionen auf "biogene Amine"




Bereits Hippokrates von Kos warnte vor ca. 2.400 Jahren vor dem Verzehr großer Mengen an Käse und beschrieb Symptome wie sie bei Patienten mit Histaminunverträglichkeit zu beobachten sind. 

Unverträglichkeitsreaktionen auf Nahrungsmittel, bei denen sämtliche Allergietestungen negativ ausfallen, stellen eine häufige Diagnose dar, die schätzungsweise 5 % der Bevölkerung betrifft. Solche nicht allergischen Reaktionen auf Nahrungsmittel sind oftmals auf Substanzen zurückzuführen, die beim Abbau der Nahrungsmittel (Eiweißbestandteile) im Stoffwechsel von tierischen und pflanzlichen Geweben entstehen. Man nennt diese Abbauprodukte "Biogene Amine", und der klinisch bedeutsamste Vertreter ist - neben Tyramin und Serotonin - das Histamin. Insbesondere Histamin kann bei Patienten mit einer Unverträglichkeit beim Verzehr histaminreicher Nahrungsmittel allergieartige Symptome auslösen, wie z.B.:

Haut: Juckreiz, Nesseln, Flush, Gesichtsschwellung, Verschlechterung einer bestehenden Neurodermitis.
Magen: Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe, Durchfälle.
Lunge: Atembeschwerden, Asthma.
Herz: Herzjagen, Rhythmusstörungen, Kreislaufschwäche.
Gehirn: Kopfschmerzen, Schwindel, Migräne.
Nase: fließende oder verstopfte Nase nach dem Essen.

Ob Sie an einer "Histaminunverträglichkeit" (Histaminintoleranz) leiden, kann von Ihrem Arzt festgestellt werden.
Das mit der Nahrung aufgenommene Histamin wird normalerweise im Darm durch ein Enzym, "DAO" (=Diaminoxydase) abgebaut, so dass beim Gesunden krankhafte Symptome durch Histamin nicht entstehen können.
Die Abbbaugeschwindigkeit wird maßgeblich durch die Aktivität dieses Enzyms (DAO) im Darm bestimmt. Bei Patienten mit Histaminunverträglichkeit ist die DAO-Aktivität erheblich reduziert, entweder in Folge einer Hemmung (z.B. Alkohol, Medikamenteneinnahme), einer akuten oder chronischen Darmerkrankung, oder aber durch einen angeborenen Enzymdefekt.
Für ihre optimale Aktivität benötigt das Enzym DAO ihre Hilfsfaktoren Vitamin B6 und Vitamin C. Der Spiegel dieser Vitamine ist im Blut, ebenso wie der DAO-Spiegel, messbar. Ebenso messbar ist der Histaminspiegel im Blut, der jedoch starken Schwankungen unterliegt, und deshalb nicht als aussagekräftig anzusehen ist.
Diese Laboranalysen sind
daher für die Diagnose einer Histaminunverträglichkeit nicht als objektive Werte anzusehen, und werden in einer neuen fachgruppenübergreifenden Leitlinie nicht zur Diagnosestellung empfohlen. Oftmals kann Ihr Arzt allein aus Ihren Beschreibungen und Symptomen den Verdacht einer Histaminunverträglichkeit aussprechen.
Wenn Sie an Symptomen einer Neurodermitis oder allergischen Erkrankungen wie Asthma oder Nesselsucht leiden, sollten Sie mit Ihrem Arzt erörtern, ob eine "histaminarme Diät" für Sie geeigent ist. Gleiches gilt für Patienten mit häufigen Kopfschmerzen und Migräne.

Grundsätzlich gilt zur Orientierung, je länger ein Nahrungsmittel gelagert oder gereift ist, um so höher ist sein Gehalt an Histamin, und anderen biogenen Aminen. Das Grundprinzip einer Kost, die arm an Histamin und anderen biogenen Aminen ist, ist daher die Verwendung von möglichst frischen Lebensmitteln.

So enthält z.B. Frischfleisch kein oder kaum Histamin. Wird das Fleisch jedoch zu Wurstwaren weiterverarbeitet kommt es im Zuge der Reifung dann in unterschiedlichem Ausmaß zur Anreicherung von biogenen Aminen, wie z.B. bei Rohwürsten oder Rohschinken, die durch Trocknung von rohem Fleisch, meist unter Zusatz von Salz (Pökelungsreifung) und Räucherung (Rauchreifung) hergestellt werden.

Auch frischer Fisch enthält kaum Histamin. Sein Fleisch neigt jedoch zu einem besonders schnellen mikrobiellen Verderb unter reicher Histaminbildung, insbesondere bei unsachgemäßer Kühlung (z.B. Unterbrechung der Kühlkette beim Transport). Ebenso wird durch die Weiterverarbeitung mittels Salzung (z.B. Matjeshering, Sardinen, Sardellen, Seelachs auch bekannt als roter Lachsersatz) und / oder Räucherung (z.B. Forelle, Makrele, Kieler Sprotten, Schillerlocken, Bücklinge) und Konservierung (Fischkonserven) der Histamingehalt weiter gesteigert. Marinierter Fisch ist über den Histamingehalt vieler Marinaden (z.B. Essig) zusätzlich belastet (z.B. Bismarckheringe, Rollmops).

Nur in wenigen pflanzlichen Nahrungsmitteln wie Obst und Gemüse zeigen sich natürlicherweise hohe Anteile von Histamin (z.B. Spinat, Auberginen). Auch für pflanzliche Nahrungsmittel gilt, dass durch Weiterverarbeitungs- und Reifungsprozesse der Histamingehalt steigt (z.B. Sauerkraut, Essiggurken, Mixed Pickles in Essigmarinaden).

Frischmilch und Frischmilchprodukte wie z.B. Buttermilch, Rahm, Joghurt, Butterkäse, Frischkäse (nicht Schmelzkäse!) enthalten nur wenig Histamin. Je länger der Käse hingegen gereift ist, umso höher ist seine Histaminkonzentration. Da das besondere Aroma vieler Käsesorten sich aber erst mit zunehmender Reifung / Alterung entfaltet, sind gerade die wohlschmeckenden vollmundigen Käsesorten bezüglich ihres hohen Histamingehaltes problematisch (z.B. "alter" Gouda, "überreifer" Camenbert, Salzkäse wie Parmesan, Schimmelkäse wie Roquefort).

Auch der gleichzeitzige Genuss von Alkohol oder scharfen Gewürzen begünstigt durch verbesserte Aufnahme im Magen- Darmsystem die klinischen Beschwerden einer Histaminunverträglichkeit. Zusätzlich hemmt Alkohol das Enzym "DAO" das normalerweise Histamin im Darmtrakt inaktiviert, sodass die Beschwerden einer Histaminunverträglichkeit verstärkt und verlängert auftreten können.

Auch einige Medikamentenwirkstoffe (z.B. in Asthmamittel, Herz- Kreislaufmittel, Schleimlöser, Schmerzmittel und anderen) blockieren das histaminabbauende Enzym "DAO" und können somit die Beschwerden einer Histaminunverträglichkeit fördern. Fragen Sie diesbezüglich ihren Arzt.

Erfahrungsgemäß hängen die Beschwerden bei einer Histaminunverträglichkeit entscheidend von der Menge des aufgenommenen Histamins ab. So könnte es sein, dass Sie einen kleinen Vorspeisen-Tomatensalat durchaus vertragen; essen Sie aber zusätzlich eine Pizza mit Tomaten, Salami und Thunfisch, trinken dazu Rotwein und gönnen sich als Nachtisch noch eine Platte gereifter Käsesorten, könnten Sie massive Probleme bekommen.

Das Kochen von Nahrungsmitteln verbessert eine Histaminunverträglichkeit nicht, da Histamin hitzestabil ist und beim Kochen nicht inaktiviert wird. Histamin verändert weder den Geschmack noch den Geruch eines Nahrungsmittels.

 

Tabelle 1: Histaminreiche Nahrungsmittel

Die folgende Liste berücksichtigt neben histaminreichen Nahrungsmitteln auch Lebensmittel die reich an den anderen biogenen Aminen (wie z.B. Tyramin, Serotonin, Phenylethylamin) sind, um eine eventuelle Verstärkung krankhafter Symptome auszuschließen:


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Geeignete Nahrungsmittel bei Histaminunverträglichkeit sind in Tabelle 2 zusammengefasst, die mir mit freundlicher Genehmigung von Frau Professor Staubach aus der Hautklinik der Universitätsmedizin Mainz überlassen wurde.

 

Tabelle 2: Geeignete Nahrungsmittel bei Histaminunverträglichkeit


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Die vorliegende Patienteninformation meiner Praxis wurde für Sie nach dem heutigen Stand des ärztlichen Wissens auf der Basis der aktuellen medizinischen Fachliteratur erstellt.


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